I.

          Pflaumenblüte

          Die Blütendüfte, allvergangen, verweht -
          einsam in heiter-strahlendem Licht,
          Zieht sie des Gärtleins anmutigen Zauber
          ganz nun auf sich.
          Auf stillem Wasser, klar gezogen,
          der lockeren Zweige kreuzschräger Strich.
          In des Monds falbem Schummer weht geheimnisvoll hin
          ihr dunkel-verborgener Duft.

          Frostvögel sehnen zu ihr sich nieder,
          sie scheu zu beäugen - und wagen's doch nicht;
          Weißpudrige Falter, so die sie gewahren,
          wollen vergehen in taumelnder Luft.
          Glücklich, wem noch Verse, nur leise zu summen,
          als Freunde vertraut:
          Braucht kein Taktbrett von Sandel, nicht goldne
          Pokale, wenn zum Weine er ruft!

                    Lin Pu (967-1028)


          II.

          Der Fischer auf dem Strom

          Er kommt auf dem Strome daher,
          Den schimmernden Barsch nur im Sinn.
          Schaut Ihr den Kahn - ein treibend Blatt bloß,
          im Herbstwind verweht -
          Taucht bald auf er in Wellen und Sturm,
          bald wieder entschwunden dahin!

                Fan Chung-yen (989-1052)


          III.

          Anspielung

          Firnisglanz auf den Wänden - dein duftend Gefährt
          querte den Weg mir nicht wieder;
          Wolkendunst über Schründen - spurlos dahin,
          nach Westen, Osten verzogen?
          über Birnenblüten im Hofe floß sachte
          mondheller Schimmer hernieder;
          Am Teichgraben kamen in lauen Lüften
          von Weiden Samenflocken geflogen.
          An wievielen Tagen noch erwachen vom Weine
          und nur der Einsamkeit Gram wiederfinden;
          Traurig-leer gingen hin mir die Stunden der Feste,
          da Rauch nicht schwelte, keine Funken stoben.
          Möchte gern eine heimliche Botschaft senden,
          indes, welcher Weg könnte zu dir führen?
          Weit hinaus strömt das Wasser - so ist's allenthalben,
          doch ewig stehen die Berge da oben...

                    Yen Shu (991-1055)


          IV.

          Frühlingswanderung
          zum Pavillon der überreichen Musik

          Der Bäume rote Blüh', des Bergs Azur
          im schon schräger fall'nden Licht;
          Das Gras des Umlands, junges Grün,
          weitet sich grenzenlos.
          Tage des Frühlings - schon im Gehen:
          die Wand'rer kümmert's nicht,
          Und nicht, daß - angelangt am Ziel -
          auf welke Blüten tritt ihr Fuß.

              Ou Yang-hsiu (1007-1072)


          V.

          Auf dem Huai-Fluß
          abends am 'Kälberkopf' ankernd

          Des Frühlings Regenwolken hangen überm Land,
          grün grün weithin das Gras;
          Aufleuchtend - dann und wann ein Baum
          in ferner Blüh' sich zeigt.
          Spät, unterm Ahnenmal aus alter Zeit,
          legt einsam an mein Kahn;
          Von Wind und Regen voll der Strom:
          das Frühjahrswasser steigt.

                Su Shun-ch'in (1008-1048)


          VI.

          Die Frau des Seidenraupenzüchters

          Ging hin, den andern Tag, zur Stadt,
          dem Markte;
          Kehr heim - von Tränen naß das Tuch,
          das trocknet mein Gesicht:
          Mein Leib, von Kopf bis Fuß gehüllt
          in reiche Seiden,
          Der diese Seiden züchtet, aber
          bin ich nicht!

              Chang Yü (Song-Dynastie)


          VII.

          Pflaumenblüte

          Im Mauerwinkel von der Pflaume ein paar Zweige,
          Die da, der Kälte spottend, einsam in Blüte steh'n.
          Schaust sie von ferne - und 's ist doch nicht Schnee:
          Spürst dunklen Duft geheimnisvoll herüberweh'n!

                  Wang An-shih (1021-1086)


          VIII.

          Bei Kua Chou vor Anker

          Ching K'ou und Kua Chou am Strome -
          die weiten Wasser sie einen;
          Von Chung Shan, der Heimstatt, doch nur mehr
          durch wenige Berge geschieden.
          Der Frühlingswind ließ wieder grünen
          des Yang-tse Ufer im Süden -
          Hellschimmerndes Mondlicht, so sage,
          wann wirst mir zur Heimkehr du scheinen?

                  Wang An-shih


          IX.

          An Ch'ang An Chün

          Nicht leichten Mutes war es, daß
          - noch jung - wir von einander schieden;
          Die Herzen schwer, da wir
          - nun alt - uns wiederfanden.
          Zum schlichten Mahl gerichtet Bord und Becher
          - lächelnd ging hin die Rede;
          Im Dämmerschein der Lampe, beim Erzählen
          - des Lebens Jahre wieder auferstanden.
          Auch mich berührt, daß ich - so manches Jahr
          getrennt durch Seen und Meere -
          Nun, Treibsand gleich, zehntausend Meilen weit
          werd wiederum hinausgetragen.
          Möchtest die Zeit der Rückkehr du, unseres
          Wiedersehens Tag erfragen,
          Lies meine Nachricht aus der Wildgans Flug, wenn ich
          wie sie gen Süden heim dann kehre!

                    Wang An-shih


          X.

          Neujahrsmorgen

          Hinaus ein Jahr im Bersten der Bambusböller!
          Und Frühlingswind bringt Glut dem Neujahrswein.
          Mählich erstrahlen Tür und Tor in junger Sonne;
          Mit Pfirsichholz am Haus zieh'n neu die Götter ein.

                Wang An-shih (1021-1086)


          XI.

          Der West-See - bei klarem Wetter zuerst
          und danach im Regen

          Des Wassers hellglänzende Fläche - so blendend und schön,
          wenn heiter der wellenglitzernde Tag;
          Der Berge zartfarbige Tönung - nicht minder ein Traum,
          im äther verschwimmend, bei Regen.
          Landschaft am West-See - Stell' sie mit Fug
          neben Hsi Shih, die hinreißend Schöne!
          Mag sie einhergeh'n in schlichtem Gewande, gleichviel,
          oder prunkenden Zierat anlegen.

                  Su Shih (1036-1101)


          XII.

          Auf dem Wege nach Hsin-ch'eng

          Wollt' wieder in die Berge ziehen -
          der Ostwind mich verstand:
          Des Regens stetes Rauschen war fortgeweht nun
          von den Traufen und vergangen.
          Wie Wattehauben - leuchtendweiß die Wolken,
          über die Gipfelketten hingebreitet,
          Aus hellem Stahl ein Gong - die frühe Sonne,
          dort in der Bäume Wipfel aufgehangen.

          Der wilde Pfirsichbaum nahe am Bambusgatter
          hält noch zurück verschämt sein Blütenlachen,
          Die Weiden wiegen sich im Wind am Bache,
          durchsichtig-klar das Wasser überm Ufersand.
          Und all die Menschen, die am Westberg leben -
          von eitel Freude seien sie erfüllt:
          Malven und Bambussprossen reichen sie als Speise
          dem, der am Frühjahrspfluge ist gegangen.

                    Su Tung-p'o


          XIII.

          An die Mauer des Westwald-Klosters
          angeschrieben

          Betracht ihn von vorn - er wird zur Bergeskette;
          Und seitwärts dann, ragt er als Gipfel jäh.
          Fern oder nah, nieder und hoch,
          bleibt er sich nirgend gleich.
          Des Lu-shan wahres Sein: kenn es doch nicht -
          nur weil ich selbst auf diesem Berge steh'!

                  Su Shih (Su Tung P'o)


          XIV.

          Frühlingsabend über der Flußlandschaft
          (nach einem Bild) von Hui Ch'ung

          Jenseits des Bambus blühen zwei, drei Pfirsichzweige,
          Die Ente am Fluß zuerst, spürt Frühlings laue Wasser gleich,
          Im Grund, wo Beifuß wuchert, spitzt, noch kurz, das Schilf:
          's ist grad die Zeit, da Wasserferkel tauchen aus ihrem Reich.

                      Su Shih (Su Tung P'o)


          XV.

          Frühlingstag

          Fern rollt noch Donner in der Nacht -
          zehntausend Seidenfäden fielen.
          Hin über Ziegel - jadegrüne Schuppen -
          gleitet nun klaren Tages Licht.
          Schwer von Gefühlen die Päonien -
          halten zurück noch Frühlingstränen;
          Und morgens, Zweige roter Rosen -
          so matt am Boden hingestreckt.

                Ch'in Kuan (1049-1000)


          XVI.

          Herbsttag

          Am Han-Kanal fiel schon der Reif,
          im Stau, die Wasser klar;
          Zahlloser Sterne kalter Schein
          auf den Booten nebenan.
          Wo Wasserkraut und Binse tief,
          gibt es wohl keinen Grund:
          Doch unverhofft dringt an mein Ohr
          scherzender Stimmen Klang.

              Ch'in Kuan (Ch'in Shao-yu)


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