XXIII.

          Unterwegs nach Chien-men ('Degen-Tor') kam ich in leichten Regen

          Die Verse entstanden wohl gelegentlich einer Reise des Dichters von Han-chung S~$$ (im heutigen Shensi (inf)cPË"ÿ gelegen) nach Ch'eng-tu P®>=Pound (Hauptstadt der Provinz Szu-ch'uan *|$t"ÿ). Im Nieselregen kam er dabei auch durch die Stadt Chien-men (o)C(TM)^, wörtlich: 'Degen-Tor', im nördlichen Szu-ch'uan:
          Trotz der außergewöhnlich schönen Landschaft, der er auf seinem langen Ritt begegnet war, trug sich Lu Yu mit grüblerischen Gedanken: sein Leben lang war er davon beseelt, das Reich der Kin (TM)~ , die das einstige Sung-Gebiet nördlich des Huai <=aPø besetzt hielten, zu schlagen und die verlorenen Gebiete zurückzuerobern. Er hatte jedoch insoweit bei Hofe (nach einem unglücklich verlaufenen Feldzug) kein Gehör mehr gefunden und war nur noch zu unbedeutenden Staatsämtern ohne Einfluß gekommen. Mit seinem Schicksal hadernd, will er sich nicht damit zufriedengeben, immer nur ein auf dem Esel einherreitender, Verse murmelnder Dichter in vom Wein fleckigen Kleidern zu sein und nichts für sein größtes Anliegen, die Rückgewinnung der Heimat, tun zu können.


          XXIV.

          Noch einmal auf die Söhne blickend

          Lu Yus >=(inf)Yen bewegendes Thema war die Teilung des Reichs, der Verlust des nördlichen Reichsgebiets an die Kin (TM)~, den er nie verwinden konnte. Zeitlebens hatte er vergeblich auf die Rückeroberung gedrängt, sich aber gegen die einflußreichen Kräfte und deren 'Befriedungspolitik' gegenüber den Kin nicht durchsetzen können. Kurz vor seinem Tode hat Lu dieses sein lebenslanges Anliegen noch einmal im vorliegenden Gedicht zur Sprache gebracht.
          Der Titel ist an sich mehrdeutig und könnte in etwa mit 'die Kinder betrachten' (oder auch: 'für die Kinder zu lesen bestimmt') übersetzt werden. Der letzte Vers kann jedoch nach chinesischer Tradition nur an den ältesten Sohn gerichtet sein, denn nur dieser war zum 'Ahnenopfer' vor dem Gebetsschrein (den Ahnentafeln) berufen.


          XXV.

          Aus dem Gedichtzyklus 'Bunter Strauß von Gelegenheitsgedichten zu den vier Jahreszeiten in Feldern und Gärten'

          Das 'shih' stammt aus einem Zyklus von insgesamt sechzig Gedichten, welcher im Jahr 1186 entstanden ist, als sich der kranke Fan in sein Heimatdorf Shih-hu *oYenÚ ('Steinsee') zur Erholung zurückgezogen hatte. Es ist ein gutes Beispiel für den Stil und die Einstellung des Dichters zu Land und Leuten.


          XXVI.

          Einen klaren Geist durch das Studium der Schriften

          Der Titel lautet eigentlich (das Studium der klassischen Schriften) 'hat (oder: bringt) Bewegung'.
          Im Gegensatz zum meditativen ('sich versenkenden') Chan- (Zen-)Buddhismus !I, bei welchem der Geist 'zur Ruhe kommt', liegt der konfuzianischen Philosophie der Gedanke der 'stetigen Bewegung' zugrunde: der ständig sich bewegende Geist wird (und bleibt) klar und tief - einem vom bewegten Wasser einer unaufhörlich sprudelnden Quelle durchflossenen Teich vergleichbar, in welchem sich keine Ablagerungen und Aufstauungen bilden, so daß sich das reine Himmelsblau und die weißen Wolken darin widerspiegeln und man bis auf den Grund blicken kann.

            - zu Vers 1:

            Der Ausdruck 'offener Spiegel' geht darauf zurück, daß man im alten China die wertvollen (Metall-)Spiegel in Tücher einschlug, um sie vor dem Blindwerden zu schützen: vor der Benutzung mußten sie 'geöffnet' bzw. 'aufgeschlagen' (d} oder *Yend}) werden.


          XXVII.

          Im Gästehaus von Lin An angeschrieben

          Der Vierzeiler übt Kritik an den zur Zeit der südlichen Sung in der neuen Hauptstadt Lin An (Hangchow) Einfluß und Macht Ausübenden, welche sich dekadent den Genüssen der südlichen Szenerie hingebend, ihre patriotische Verpflichtung, die verlorenen Reichsgebiete im Norden zurückzuerobern, ebenso vergaßen wie die eigentliche Hauptstadt Pienchow ®XP{.

            - zu Vers 1:

            Der Vers weist - nach dem Sinngehalt des Gesamtgedichts ins Deutsche übertragen - mahnend auf die im Norden 'jenseits der Berge' liegende, verlorene Hauptstadt hin, deren 'grüne Hügel' und 'stattliche Bauten' über dem landschaftlichen Reiz der am vielgerühmten 'Westsee' PËYenÚ gelegenen neuen Hauptstadt in Vergessenheit zu geraten drohten.
            Das chinesische Original ist insbesondere im zweiten Teil dieses Verses in seiner spröden Kargheit und Wortarmut nur aus dem größeren Zusammenhang heraus verständlich und kaum adäquat ins Deutsche zu übertragen ((o)"*~(o)" - 'jenseits der (mehrstöckigen) Häuser (sind mehrstöckige) Häuser').

            - zu Vers 2:

            Der Dichter kritisiert das schwelgerische, vergnügungssüchtige Treiben der Herrschenden in der südlichen Hauptstadt.

            - zu den Versen 3 und 4:

            Sie stellen eine metaphorische Verbindung her zwischen der berühmtenlandschaftlichen Szenerie des 'Westsees' und der dekadenten politischen Einstellung der herrschenden Schicht: die feucht-warme südliche Luft läßt Konturen und Farben der Landschaft wie bei einem Aquarell ineinanderfließen, so daß das Auge des Betrachters 'wie trunken' die Wirklichkeit nicht mehr erkennt (und nicht mehr weiß, was die wahre Hauptstadt des Reichs ist).


          XXIX.

          Auf dem Dorfe im vierten Mond

          Das kleine Gedicht schildert das Landleben im Gebiet des unteren Yang-tse im Frühsommer mit den für diese Zeit dort typischen 'Aprikosenregenfällen' d?+/-^'B. Obgleich es als ein Gelegenheitswerk anmuten könnte, fällt bereits in den ersten beiden Versen die Weng Chüan eigene Formstrenge und Symmetrie, aber auch die eigenwillige Ausdrucksweise auf, wo...

            - zu Vers 2:

            ...der feine Regen - den er mit Rauch vergleicht - 'im' Rufen des Kuckucks fällt und nicht etwa umgekehrt, der Vogelruf im Regen ertönt!). Die Sprache ist gleichwohl klar und gut verständlich.

            - zu Vers 4:

            Hier wird das Tagwerk des Bauern dargestellt: Die Arbeiten bei der Aufzucht der Seidenraupen 'ts'an' ?\ sind aufs erste beendet (die Raupen haben sich - wochenlang mit Maulbeerblättern 'sang' Æ. 'gemästet' - nunmehr verpuppt); es beginnt nun das Auspflanzen der jungen Setzlinge auf den Feldern.


          XXX.

          Auf dem See

          Die vier Verse fangen mit wenigen Worten die ruhig-heitere Abendstimmung ein:
          Vers 1 beschreibt das Land um den See, Vers 2 das Wasser und seine Ufer. Die zweite Hälfte des Vierzeilers befaßt sich mit den Menschen, deren heiter-gelassene Stimmung mit der sie umgebenden Natur korrespondiert.
          Es wurde versucht, die strenge - im chinesichen Original scheinbar mühelose - vertikale Symmetrie der einzelnen Verse zueinander in der übertragung wenigstens anzudeuten.


          XXXI.

          Wir kamen durch Ling Ting Yang

          Das Gedicht entstand, als der Dichter im Januar des zweiten Jahres seiner Gefangennahme durch die Mongolen 1278 auf der langwierigen Reise nach Yen-Ching durch den Ort Ling Ting Yang (in der heutigen Provinz Kuang-tung, südlich von Chung Shan Hsien in der Nähe Hongkongs gelegen) kam.

            zu Vers 1:

            Die Metapher 'beginnend mit dem ersten Klassiker (des Konfuzianismus)' bedeutet: 'seit der Jugend des Dichters'. Die fünf klassischen Schriften waren Grundlage der staatlichen Prüfungen. Seit seiner Jugend gab es die Eroberungsfeldzüge der späteren Yüan-Dynastie auch im Reich der südlichen Sung.

            zu den Versen 2, 3 und 4:

            'Schild und Lanze' ist eine Metapher für den 'Krieg', durch den die Sung-Dynastie vertrieben und letztlich zerstört wurde. (Aber auch die Familie Wens wurde entwurzelt und auseinander gerissen!)
            'Gebirg und Strom', das ganze Land wurde von den Mongolen 'zerstückelt' und seines festen Bezugs zum Herrscherhaus (das selbst auf der Flucht war) beraubt und war nun ohne Halt, gleichsam wie 'Weidenflocken im Wind hin und her geweht'.
            Wie 'Wasserlinsen im niederprasselnden Regen' wankt die 'Erfahrung eines ganzen Lebens' (das Weltbild des Dichters und seiner gesamten Zeit) und droht zu versinken: tatsächlich geht ein großer und wichtiger Zeitabschnitt der chinesischen Geschichte, die 'Sung-Dynastie' zuende.

            - zu den Versen 5 und 6:

            Huang K'ung T'an (bei Wan An Hsien in der heutigen Provinz Kiangsi PøPË"ÿPUPwø$) ist eine der gefährlichsten der 18 Stromschnellen des Kan-Flusses DBPø. Wen hatte im Jahr 1277 in Kiangsi eine Niederlage gegen die Mongolen erlitten; von Huang K'ung T'an aus hatte er sich mit seinen Truppen nach Fukien S/'ÿ zurückgezogen.
            Nachdem in Yai Shan +/-V$s die letzten der kaiserlichen Familie der Sung besiegt und getötet worden waren, trat Wen seine lange Reise in die Gefangenschaft an: als er durch Ling Ting Yang ps$B"v ('Ozean der übriggebliebenen Leute') geführt wurde, waren nur noch wenige seiner Gefolgsleute am Leben, die mit ihm das Los des Kriegsgefangenen teilen mußten.


          XXXII.

          Der Gesang von der 'rechten Kraft'

          Bei dem vorliegenden Gedicht handelt es sich im Unterschied zum 'Shih' P/ , einer Gedichtform, in der alle übrigen hier aufgeführten Beispiele abgefaßt wurden, um ein sog. 'Ke' Sq (Lied, Gesang oder Canto). An sich von Länge und Inhalt her nicht sonderlich geeignet, dem 'westlichen' Leser im Rahmen einer Auswahl chinesischer Lyrik vorgestellt zu werden (der zum Verständnis unumgängliche Anmerkungsapparat wird notgedrungen noch umfänglicher als gewöhnlich), sollte bei diesem berühmten Beispiel von Wen Tien-hsiang doch eine Ausnahme gemacht werden (finden sich doch etwa bei Ezra Pounds - noch um ein vielfaches längeren und sicherlich nicht weniger 'hermetischen' - 'Pisaner Cantos' durchaus moderne oder besser: zeitlose Anklänge).
          Es sei angemerkt, daß der gebildete chinesische Zeitgenosse des Dichters die im Text enthaltenen geschichtlichen Anspielungen und Zitate sprachlich ohne weiteres 'entdeckte' und verstand: in der übertragung war jedoch oftmals weiter auszuholen, um die 'Information' nicht noch mehr in die Anmerkungen zu verlagern.

          Das 'Canto' entstand im zweiten Jahr von Wens dreijähriger Gefangenschaft (1279-1283) in der neuen Hauptstadt Yen-chow øPP{ im Norden (heute: Peking), wo die Mongolen die neue Yüan-Dynastie $P etablierten: am 9.1.1283 n.Chr. wurde Wen dort öffentlich hingerichtet (s.a. Anm. z. Biographie v. Wen T'ien-hsiang und das vorhergehende Gedicht).

            'rechte Kraft'

            Diese Vorstellung geht möglicherweise auf buddhistisches Gedankengut zurück (vgl. 'dharma'= nicht mehr reduzierbare Daseinsfaktoren d.h. 'dingliche' Kräfte, die in ihrer Verbindung miteinander die sichtbare Welt der '10 000 Dinge' PU(TM)' hervorbringen).

            'Rein war...'

            Die Legitimation des Herrschers als Mittler zwischen Himmel und Erde ('Himmelssohn' $-$l) und Vollzieher der heiligen Riten war allein seine 'Tugend' (oft auch als 'Weg' bezeichnet). Verlor er diese, war er auch außerstande, das Reich in 'harmonischer Ausgewogenheit' ©M*<> (Frieden) zu halten und den 'Glanz' ©. der Prosperität 'auszusenden' PR.

            'die Chronistenbrüder...'

            Zur Zeit der Frühlings- und Herbstannalen "K"Ó lebte in dem mächtigen Staat Ch'i (a)Ù (1122 v.Ch.- 265 n.Ch. i. nord-östl. Shantung) ein amtl. Historiograph 2.Klasse der Hanlin-Akademie (dessen Aufgabe die Aufzeichnung 'glücklicher' Ereignisse war). Als Ts'ui Chu +/-ZßÁ den damaligen Landesfürsten ermordete hatte, nahm der Schreiber diese Untat in seine Chronik auf, worauf er von Ts'ui getötet wurde. Zwei jüngere Brüder des Chronisten setzten daraufhin dessen Werk fort, und auch sie wurden ermordet, um sie davon abzuhalten. Gleichwohl scheiterte Ts'ui in seinem Bestreben, sein schändliches Handeln vor der Geschichte zu verbergen: ein weiterer jüngerer Bruder der Getöteten überlieferte es der Nachwelt.
            Zur damaligen Zeit schrieb man in China u.a. auf schmale Täfelchen aus Bambus (!<= hier i.S.v. 'Chronik').

            'der Annalenschreiber Tung...'

            Es handelt sich hierbei um Tung Hu P>=Õæ, der ebenfalls zur Zeit der Frühlings- und Herbstannalen im Staate Chin Æ (737-420 v.Ch.) lebte. Auch er wurde in der chin. Geschichte berühmt durch seine unbeugsame Pflichterfüllung, für die er furchtlos sein Leben einsetzte.

            'Mit seinem Hammer...'

            Zur Zeit der 'streitenden Reiche' æ'(inf)Í (403-221 v.Ch.) lebte im Staate Han !. ein Mann namens Chang Liang +/-i®}, der es nicht verwinden konnte, daß Ch'in Shih Huang Ø>=©l"" (Chinas erster Kaiser) sein Heimatland unterworfen hatte. Aus ganzer Seele wünschte er, sich für seinen Staat an Ch'in zu rächen. So suchte er sich einen Mann von enormer Körpergröße und ließ für ihn einen gewaltigen Hammer schmieden, mit welchem Ch'in erschlagen werden sollte. Als jener durch Po Liang Sha >='Æ^®F (südl. v. Yüan-yang in d. Provinz Honan <>Ïdßø$(TM)e'n"ÿ) kam, wurde er angegriffen, aber 'leider' verfehlt. (Ch'in war durch zwei Jahrtausende hindurch in China - vorallem bei den Konfuzianern - der bestgehaßte Mann und eine Unperson; erst heute werden auch seine zweifellosen Verdienste als Einiger Chinas gewürdigt.)

            'Mit dem Legatenzeichen...'

            Su Wu f"(TM)Z war Gesandter (im Ministerrang) des Staates Han S~ unter Kaiser Wu-ti (Liu Ch'e) (TM)Z'" ((o)Bp~) bei den Hsiung-nu PI*Pound (einem Turkvolk unter den Han). Die Hsiung-nu stellten an ihn das Ansinnen, sich ihnen zu unterwerfen, was er mit aller Standhaftigkeit zurückwies. In der Folge wurde er bis an das 'Nördliche Meer' *_Æ, (den Baikalsee in Sibirien) verschlagen, wo er als Ziegenhirte insgesamt 19 Jahre lang zubringen mußte. Seine beispielhafte Loyalität gegenüber der von ihm repräsentierten Han-Regierung erhellt eindrucksvoll daraus, daß er während all dieser Zeit das Insigne seines Amtes stets bei sich trug.

            'Von Yen, dem General...'

            Yen Yen fYsqrt C lebte zur Zeit der 'Drei Reiche' $T(inf)Í; er war unter Liu Chang (o)B(o)~ als General mit der Bewachung der Präfektur von Pa $/ (Teil des heutigen Szechuan) betraut. Als er von dem Aufständischen Chang Fei +/-i<>P als Gefangener genommen und aufgefordert wurde sich zu ergeben, sprach er zu ihm: "Es gibt hier nur 'Kopf-ab-Generäle' (also solche, die den Tod einer Kapitulation vorzogen) und keine Generäle, die sich ergeben!" Da wurde Chang Fei sehr wütend und rief seine Männer, um Yen den Kopf abschlagen zu lassen. Dieser aber sagte ruhig und mit unbewegter Miene zu Chang: "Wenn du mich köpfen lassen willst, so tu es doch - warum aber wirst du denn nur so wütend!" Als Chang Fei diese würdevolle und unerschütterliche Haltung gewahr wurde, gab er Yen Yen die Freiheit.

            'Von Chi...'

            Hier ist von Chi Shao YenR<=- die Rede: er bekleidete unter dem Chin-Kaiser Hui Ti (Ssu-ma Chung) Yenf'" (*q(inf)®(inf)J) den Posten eines 'Shih-chung' ®Õ$$ (etwa: Leibdiener). Als innerhalb der kaiserlichen Familie ein Aufstand gegen Ssu-ma Chung ausbrach, kämpfte er auf dessen Seite gegen die adligen Rebellen. Des Kaisers Leibwache war schon niedergemetzelt, nur Chi war noch da, der sich, um das Leben Ssu-mas zu schützen, ihn mit seinem eigenen Körper abdeckend vor den Herrscher warf - und so in dessen unmittelbarer Nähe zu Tode kam: sein Blut befleckte Ssu-ma Chungs Kleid. Als man es auswaschen wollte, verbot der Herrscher dies mit den Worten: "Auf meinem Gewand ist das Blut von 'Shih-chung' Chi - es darf nicht weggewaschen werden!"

            'Von Chang Hsün...'

            'Chang Sui-yang' (eigtl.: Chang Hsün +/-i®m) lebte zur Zeit der T'ang-Dynastie in Sui-Yang PFdß (heute Kreis Shang-ch'iu (inf)"(TM)Ù in Honan). Als sich der tatarische General An Lu-shan PwSÒ$s erhoben hatte und die Stadt Sui-yang durch Belagerung auszuhungern versuchte, verteidigte diese sich etliche Monate lang erbittert auf Leben und Tod: jedesmal wenn Chang die Reihen der Verteidiger inspizierte, rief er mit lauter Stimme zu den Belagerern hinüber: "Die Zähne kauen noch!" (d.h. die Eingeschlossenen haben noch genügend zu essen). Nachdem die Stadt eingenommen worden war, geriet Chang in Gefangenschaft: hier hörte er nicht auf, die Feinde zu schmähen und zu beschimpfen. Da stachen die Feinde ihn mit einer eisernen Spitze grausam in den Mund und verstümmelten ihn. Chang aber ließ sich hierdurch nicht einschüchtern und schmähte die Feinde unablässig weiter bis er starb.

            'Von Yen...'

            'Yen Ch'ang-shan' (eigtl.: Yen Kao-ch'ing sqrt CØo<>Î) war zur Zeit des Rebellen An Lu-shan Präfekt in Ch'ang-shan +/-`$s. Nachdem die Stadt gefallen und Yen gefangengenommen worden war, schmähte und beschimpfte er den abtrünnigen General wie bereits während der Belagerung. Auch Yen ließ sich nicht einschüchtern: selbst als Lu ihm die Zunge mit einem Haken aus dem Mund reißen ließ, verhöhnte er ihn weiter mit lauter Stimme bis er starb.

            '...von dem aus Liao-tung...'

            Zur Zeit der 'Drei Reiche' $T(inf)Í (222-265 n.Ch.) lebte ein Mann namens Kuan-ning SfipÁ, aus Wei sqrt Q (einem kleinen Staat im Süden des heutigen Shan-hsi $sPË und im Norden von Honan (TM)e'n gelegen) stammend, zurückgezogen in Liao-tung øÒ(TM)F (im südöstlichen Teil des heutigen Kreises von Liao-ning øÒpÁ). Er war von außergewöhnlicher Bildung und untadelig in seiner Lebensführung. Er lehnte es ab, sich mit den zu seiner Zeit die Macht ausübenden 'dunklen Kräften' zusammenzutun. Um mit seiner Auffassung von Tugend unvereinbare Kompromisse zu vermeiden, hielt er sich von der Hauptstadt (und einem - ihm nach Bildung und Persönlichkeit an sich gemäßen - öffentl. Amt) fern. Liao-ning pflegte, (im Gegensatz zur Konvention) stets eine weiße Kappe zu tragen.
            'Eis und Schnee' PB>=S ist eine häufig gebrauchte Metapher, die für ein tugendhafte
            s, lauteres, edles Herz steht (ebenso wie auch 'Eis im Jadekrug' *...>=~PB).

            '...in Shu die Petition...'

            Mit dem Ende der Han-Dynastie S~ war China in drei von Militärmachthabern beherrschte Staaten, die 'Drei Reiche' $T(inf)Í zerfallen: das von Ts'ao Ts'ao (155-220) regierte Wei sqrt Q im Norden (sein Sohn Ts'ao P'ei nahm 221 den Kaisertitel an), das Reich Wu ßd im Südosten und der Staat Shu Pæ oder Shu Han PæS~ (das 'kleinere Han', etwa das heutige Szechuan *|$t), der von dem General Liu Pei (o)B>=D erobert worden war. Der Gelehrte Chu-ko Liang O-PØ'G (eigtl. K'ung Ming 181-234) war sein militärischer und politischer Berater, durch dessen klugen Rat Liu die Herrschschaft über Shu erlangte. Er wurde posthum für seine Verdienste mit dem Titel 'Fürst von Wu' ßdPZ bedacht und ist seither in China als Weiser hochgeehrt.
            Liu Pei starb auf einem Rachefeldzug für einen seiner zwei Schwurbrüder (vgl. 'die Freundschaft vom Pfirsichgarten' zwischen ihm und den beiden Generälen Chang Fei +/-i<>P
            und Kuan Yü sqrt ^P- - die beide etwa 220 n.Chr. ermordet bzw. hingerichtet wurden. Sie werden in China noch heute als Heroen verehrt; Kuan Yü - ursprünglich ein gewöhnlicher Händler von Bohnenkäse - wurde später im Jahr 1594 n.Chr.zum Kriegsgott Kuan-ti sqrt ^'" kanonisiert). In der 'Stadt des weißen Kaisers' *''"'(inf), wohin er geflohen war, übertrug Liu Chu-ko Liang auf dem Totenbett die Staatsaufgaben und die Sorge für seinen Sohn Liu Shan.
            Vor der Unterwerfung des Landes Wei sqrt Q richtete Chu-ko an den Thron eine entsprechende Eingabe, welcher der junge Herrscher Liu Shan (o)B!m (223-264) entsprach. In bewegenden und gradlinigen Worten brachte er seine Vorschläge und seine Kritik vor und brachte zum Ausdruck, daß das Wohl und Wehe einer Vielzahl von Menschen davon abhinge, sich nun für die gemeinsame Sache zu entscheiden und bereit zu sein, unter Aufbietung aller Kräfte erbittert bis zum Ende zu kämpfen. Diese 'Eingabe, die Truppen zu mobilisieren' (Ch'u-shih-Piao *XÆv(TM)Ì) wurde wegen ihrer heroischen Worte, die heute noch geläufig sind, unvergänglich; man spricht in Anlehnung an sie von einem bewegenden Text daher auch, er 'rühre die Geister zu Tränen'. Das 'Ch'u-shih-piao' enthält u.a. die Sentenz "!^(inf)`S...SÒ,PSP"<>'$v" (chü kung chin ts'ui, szu er hou chi): etw. 'Den Rücken niedergebeugt, geb ich (meinem Land) die letzte Kraft und erst der Tod setzt meiner Hingabe ein Ende').
            Im Jahr 263 n.Chr. fiel das Reich Shu dem militärisch hochgerüsteten Staat von Wei zum Opfer. Kurze Zeit später gelangte dort die Sippe der Ssu-ma *q(inf)® (s.o.) an die Macht und errichtete die Dynastie der Westlichen Chin PËÆ (265- 317), die im Jahr 280 n.Chr. durch die Eroberung des Staats von Wu vorübergehend die Reichseinheit wiederherstellte.

            '...von Tsu T'i auch das Ruder'

            Tsu T'i <='>=| war ein patriotischer Held der ôstlichen Chin (TM)FÆ , der von dem einen Gedanken beseelt war, das von den tatarischen Hu-chieh <>JO~ besetzte Gebiet zurückzuerobern. Als er in seinem Ruderboot auf dem 'Großen Strom' (TM)-Pø (dem Jangtsekiang) übersetzte, schwor er 'gegenüber den Wassern des Stromes' den feierlichen Eid, daß - sollte es ihm nicht gelingen, das verlorene Land zurückzugewinnen - er diesen Fluß nie wieder überqueren werde. Sein Unternehmen war schließlich erfolgreich: er bezwang die Tataren und erlangte das verlorenen Land Chung Yüan $$<>Ï (das Gebiet südlich des 'Gelben Flusses'im heutigen Honan (TM)e'n) zurück.

            '...das Schreibbrett eines Tuan'

            Zur Zeit der T'ang-Dynastie <>@ plante Chu Tz'u mooeu eine Verschwörung gegen den Kaiser; Tuan Hsiu-shih "q®qpÍ lehnte es ab, mit dem Verräter gemeinsame Sache zu machen und seine Ehre zu beschmutzen: als sie eines Tages zu einer Beratung zusammenkamen, ergriff Tuan sein Schreibbrett (Õæ hu) und schlug es - Chu schmähend und ihm ins Gesicht spuckend - diesem unvermittelt mit aller Wucht auf den Schädel, wodurch er zu Tode kam. (Nähere Angab. z. Schreibbrett i.d. Anm. z. Wortschatz unter "C 'hu')

            '...der Erde Pfeiler'

            Nach alten chinesischen Vorstellungen ruhte die (als Quadrat gedachte) Erde auf vier Pfeilern ('szu wei' *|S(o)), die den 'vier Banden' oder Kardinaltugenden *|S(o) (Bindungen i.S.v. Pflichten) entsprachen, nämlich 'Li' !ß (Anstand und Sitte), 'I' Pq (Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit), 'lien' SG (Redlichkeit und Integrität) und 'ch'ih' Æc (Bescheidenheit und Schamgefühl).
            Durch die Bewahrung der Tugenden wurde der Fortbestand der Erde gesichert: diese waren gleichsam ihr 'Fundament'.

            '...der Himmelssäule Ragen'

            Nach uralten Mythen stand im K'un-lun-Gebirgsmassiv ©-®/$s (dem Koulkun-Gebirge in Tibet) eine riesige Bronze-Säule, die mit einem Umfang von 3000 Li (1 chin. Meile etwa 360 Schritte oder 1860 Fuß) aufragte und von der man glaubte, daß sie das Himmelsgewölbe trug.
            Zusammen mit dem vorhergehenden Vers besagen diese Zeilen, daß Erde und Himmel letztlich von 'cheng-ch'i' *øÆ@ (der 'rechten Kraft'), erhalten werden, aus welcher sämtliche Tugenden erwachsen.

            '...der Pflicht drei Bande'

            Unter 'san kang' $TSi, den '3 Bindungen', auf welchen nach der Lehre von Konfuzius (K'ung-tzu $'$l) das Leben der chinesischen Gesellschaft beruht, versteht man die Bindung des Ministers an den Fürsten, der Ehefrau an ihren Mann und des Sohnes an den Vater, also das 'Fürstenrecht' ßg~=v, das 'Mannesrecht' $"~=v und das 'Vaterrecht' $~~=v - wobei aber auch von dieser Seite aus gesehen, dieses (natürliche - von 'oben' als 'göttlicher Befehl' ©R gegebene) Recht immer auch 'Pflicht' bedeutet. Es sind dies die 'Netztaue', durch die die menschliche Gesellschaft zusammengehalten wird. Ihre Wurzel aber ist die Tugend (der Rechtschaffenheit pDPq), letzlich also wiederum 'cheng-ch'i').

            'Ach, dunkle Stunde...'

            Hier beginnt der 'persönliche' Teil des Gesangs: Wen beklagt hier seine militärische Niederlage im Süden des Landes (wo er in der Gegend von Hongkong <>(a)Yeno/oo in Gefangenschaft geraten war - s.a. Anm. zu 'Wir kamen durch Ling-Ting-Yang').

            '...die wir als letzte sind verblieben'

            Diese Sentenz findet man möglicherweise im chin. Original nicht ausdrücklich wieder: in dem zur Verfügung stehenden chin. (Kurzzeichen-)Text ist das Schriftzeichen 'yü'ßE mehrdeutig - es kann (u.a.) 'ich', aber auch 'Rest' oder etwa 'die übriggebliebenen' bedeuten (was im letzeren Sinne mit Langzeichen æl geschrieben wird). Ungeachtet dessen erschien die Interpretation als 'Anklang' auf den Inhalt des oben angeführten anderen Gedichts dieses Dichters durchaus 'stimmig'.

            '...die Gefangenen von Ch'u'

            Ch'u war ein Feudal-Staat, der von 740 bis 330 v.Chr.auf Teilgebeiten der heutigen Provinzen Hupeh YenÚ*_, Kiangsu Pøf" und Anhwei Pw?<= existierte.
            Hier handelt es sich um eine Anspielung, welche andeuten soll, in welch hoffnungsloser Lage sich Wen T'ien-hsiang nach seiner Niederlage und Gefangennahme befand.
            Der Ausdruck (Ch'u ch'iu So*}) ist hier wohl Teil eines Zitats aus dem 'Tso Chuan' *(TM)d<< (einer Kommentierung der 'Frühlings- und Herbstannalen des Konfuzius), wo es zum Beispiel heißt: "Sie weinten miteinander die Gefangenen von Ch'u..." (So*}pÔ(TM)_). Die Stelle bezieht sich auf Chung I's !È(a)^ Gefangennahme durch den Staat Chin Æ . Die Wendung wird allgemein gebraucht, um Hilflosigkeit in verzweifelter Lage zu veranschaulichen.

            'Verschubt auf Karren...'

            Wen T'ien-hsiang wurde nach seiner Gefangennahme in der Gegend um Hongkong im äußersten Süden auf langen Wegen in den (damals noch 'barbarischen') Norden um das heutige Peking *_® (s.o.) verbracht.
            (z. 'chuan-ch'e' d<<®Æ s.a. Anm.z. Wortschatz)

            'Der Siedekessel...'

            Im 'großen Kessel' wurden zur damaligen Zeit Verbrecher bei lebendigem Leib zu Tode gesotten: eine Form der härtesten Kapitalstrafen (dem sog. 'langsamen Tod'); eine andere war das lebendige Zerstückeltwerden und das 'Hautabziehen'.

            '...ein flackernd Irrlicht...'

            Diese Metapher deutet wohl die Angst Wens an, als 'tote Seele' unerlöst umherirren zu müssen (s.unten), vielleicht aber nur die Dunkelheit seines Verlieses, in das hie und da ein winziger Lichtreflex eingedrungen sein mag.

            '...fand da das Rind sich...'

            Mit den Metaphern 'edles Roß' und 'Phönix' meint der Dichter sich selbst: er beklagt sein Schicksal, das nicht zwischen hoch und nieder, edel und gemein zu unterscheiden weiß: der bereits in mythischer Zeit als magisches Wesen verehrte (männliche) Phönix (der z.B. zusammen mit dem weiblichen Einhorn durch seine Anwesenheit andeutet, daß das Land von einem tugendhaften Herrscher regiert wird) hat sich nun von Würmern und Fröschen (der Nahrung der Störche) am Leben zu erhalten - ein unwürdiges, jammervolles Vegetieren!

            'Dann eines Morgens jäh...'

            Seuchen brachen aus - von den Zeitgenossen als Emanation der bösen Kräfte des Bodens verstanden: vielleicht Malaria und Sumpffieber.

            '...und mein Gebein verdorrte...'

            Wieder die Sorge des Dichters, er könnte zugrundegehen und niemand seiner Familie würde ihn nach den vorgeschriebenen Riten bestatten: ohne Grabstätte, Ahnenschrein und -opfer (durch seinen ältesten Sohn) würde er als 'hungriger Geist' ('ngo kuei') nicht zur Ruhe kommen und umherirren (s.oben).

            'Wie könnt ein andrer Weg...'

            In diesen Versen werden 'Yin und Yang' >=+/-dß (hier als die Erdkräfte zu verstehen, mit denen sich die Geomantik, eine Art magischer Wissenschaft des Bodens, befaßt) angesprochen: Der Dichter setzt diesen (hier ungünstigen) Einflüssen seine aus 'der rechten Kraft' erwachsende Tugend als wirksameres Mittel entgegen, als es die Kräfte der Magie jemals sein könnten.

            'Den Wolken gleich...'

            'Pai yün' *'d>=, 'weiße Wolken', werden in der Lyrik Chinas häufig als Metapher für ein 'reines Herz', Lauterkeit und Tugend gebraucht.

            '...dem Winde preisgegeben'

            Im chin. Original äußerst knapp mit 'feng yen' <>S?-, etwa '(im vom) Wind (durchwehten) Flur' wiedergegeben, scheint diese Wendung wohl die Sehnsucht nach großen Männern aus der Vergangenheit auszudrücken, wie auch die vorausgehenden Verse nahelegen könnten. Vielleicht zitiert Wen T'ien-hsiang hier den begnadeten Poeten der T'ang-Zeit Li T'ai-po ßi$"*', der seiner Sehnsucht nach Hsieh T'iao, dem von ihm liebevoll verehrten Dichter (464-499 n.Chr.), der lange vor seiner Zeit gelebt hatte, in dem (von Günter Debon anrührend übertragenen) Gedicht

              'Im Herbst besteige ich in Süan-tscheng
              den Nordturm des Siä Tiau'

            wie folgt Ausdruck verliehen hat:

              ...
              Erstarrt im Rauch der Mandarinenhain;
              Die Wutung-Blätter herbstlich-falb getönt.
              Wer ahnt, daß einer hier auf Turmes Höhn,
              Den Winden ausgesetzt, nach dir sich sehnt?

            '...des 'alten Weges' tugendhelles Licht'

            Gemeint ist das 'Tao' (wörtl.: der Weg), das Wen aus ferner Vergangenheit herüberleuchtet (und sein Handeln bestimmt).


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