XXXI.
Wir kamen durch Ling Ting Yang
Manch Mühsal
ist und Plag mir widerfahren, seit ich
von Meister K'ung die erste Schrift gelesen;
Vollendet viermal der Gestirne Kreis, daß ward
zerstreut von Schild und Lanze meine Welt.
Zerrissen sind Gebirg und Strom - von Weiden
Samenflocken, die im Winde jagen;
Mein Lebensschicksal - treibend, untergehend, wie wenn
auf Wasserlinsen prasselnd Regen fällt.
Huang K'ung T'an T'ou - 'Klippen der Angst', die auch
für uns nur Angst und Schrecken hießen;
Nun Ling Ting Yang - 'am Ozean der letzten Männer', wo
meiner letzten Männer Trauerklage gellt.
Der Menschen Los: wem wär von Anbeginn
der Tod nicht beigegeben!
Bewahr' ein Herz von laut'rer Treu mir doch, auf daß
des Reiches Chronik leuchtend einst davon erhellt.
Wen T'ien-hsiang (1236-1282)
XXXII.
Der Gesang von der 'rechten Kraft'
Es wirkt die 'rechte
Kraft' im Himmel
und auf Erden,
Jedweder Schöpfung von Gestalt und Form
ist sie mit beigegeben.
So ward hier unten sie zum hohen Berg,
zum Strome,
Um oben dort als Sonne und Gestirn
zu leben.
Lebt in den Menschen - und man nennt
sie 'Seelengröße',
Füllt aus in Üppigkeit des Raums
azurne Tiefen.
Rein war des Herrschers Weg einstmals
und eben,
Und friedensvoll in Ausgewogenheit
glänzend der Kaiserhof.
In Zeiten höchster Not erst und Gefahr
erwies sich kühner Sinn,
Von wo gar mancher ließ zurück auf ewig uns
sein unvergänglich Bild:
Mit ihren Bambustafeln - einst im Lande Ch'i,
unbeugsam die Chronistenbrüder,
Mit seinem Pinsel - der Annalenschreiber
Tung aus Chin,
Mit seinem Hammer - rächen wollt die Schmach
Chang Liang an Ch'in,
Mit dem Legatenzeichen, treu bewahrt - Su Wu,
vom Hof der Han entsandt.
Von Yen, dem General, war sie
das stolze Haupt,
Von Chi, des Kaisers Knappen, auch
sein selbstlos hingegeben Blut,
Von Chang Hsün aus Sui-yang die Zähne,
die man ihm zerbrochen,
Von Yen - in Ch'ang-shan einst Präfekt-
der schmähenden Zunge Wut.
Mag sein, daß sie die Kappe auch von dem
aus Liao-tung war gewesen -
Eisklar dies Mannes Tugend, streng
und so rein wie Schnee,
Mag sein, in Shu war sie die Petition,
die Truppen gegen Wei zu führen -
Der Ahnen Seelen, von solch Opfermut bewegt,
weinten Tränen ob der Menschen Weh,
Mag sein, sie war von Tsu T'i auch das Ruder,
mit dem den Großen Strom er querte -
Die feindlichen Tartaren zwang er nieder
mit bitterem Mute, hohem Sinn,
Mag sein, und auch das Schreibbrett eines Tuan,
das Chu, den ehrlosen, getroffen -
Daß der Verräterschädel ihm zerschlagen,
war seines Ränkespiels Gewinn.
Dies war des Odems Kraft, die alle sie
erfüllt, umfangen,
Der Tugend ernste Majestät, bewahrt
aus uralt langvergangnen Tagen;
Als sie der Menschen Tage noch und Monde
hat durchweht, durchzogen -
War es da wert, gar viel nach Leben
oder Tod zu fragen!
In aufrecht-festem Stande gründen
der Erde Pfeiler,
In Ehrfurcht nur und Achtung gründet
der Himmelssäule Ragen;
Wahrlich, der Pflicht 'drei Bande' hat
der Höchste uns beschieden,
Rechtschaffenheit - die Tugend, deren
Wurzel sie entsprangen.
Ach, dunkle Stunde, die uns traf, da wir
als letzte noch verblieben,
Der Männer, die mir folgten, ganze Kraft
fürwahr doch nicht genug.
Es banden unterm Kinn die Kappen fest sich
die Gefangenen von Ch'u,
Verschubt auf Karren - endloser Stationen
Weg zum öden Land im Norden.
Der Siedekessel, er barg keine Schrecken - süß
deucht solch Sterben mir wie Honigseim,
Eitel indes nur war dies Trachten - den Tod,
vergebens sehnt ich ihn herbei!
Lag da allein im finsteren Gelasse - ein
flackernd Irrlicht noch mein Leben,
Draußen im Hof, des Frühlings Weben - ein
schwarzer Himmel schloß mich ein.
Im Dämmer e i n e s Stalles fand da das Rind
sich mit dem edlen Rosse
Und im Genist der Störche suchte der
Vogel Phönix sich die Atzung.
Dann eines Morgens jäh, bedeckte Dunst den Tau,
da folgte Plag auf Plage;
Und es schien nun mein Teil, daß elend ich verdürbe,
und das Gebein verdorrt mir in der Gosse
So kehrten wieder mir des Winters Frost und
auch des Sommers Hitze,
Des kranken Brodems faulig-süße Schwaden
hatten sich verzogen.
Ach, dumpfe Niederung - ein flacher Streifen nur
vermoorten Landes,
Und gleichwohl nun für mich ein Ort
des stillen Glücks!
Wie sollt ein a n d r e r Weg, ein trefflich
Mittel als so stark sich weisen,
Der Erde unheiltuende Macht hier
hier von mir abzukehren,
Da doch, bewahrt im Herzen, leuchten
Lauterkeit und Treue,
Den Wolken gleich, die unberührt und weiß
den hohen Himmel über mir durchqueren!
Erfüllt von Traurigkeit
mein Herz, geht
weit hinaus mein Sehnen;
Wo nur o Himmel, strahlender Azur,
wo hast Du Deine Grenzen?
Wie fern nun schon der großen Männer mir,
der weisen, Tage - langvergangen,
Und doch aus früher Zeit noch immer
Vorbild uns und Muster.
So sitz und sinn ich über dieser Schrift,
im Traufengang, dem Winde preisgegeben,
Und spür des 'alten Weges' tugendhelles Licht
auf meinem Antlitz glänzen.
Wen T'ian-hsiang (1236-1262)